Als größtes Stadtforschungsinstitut im DACH-Raum hat das Deutsche Instituts für Urbanistik (kurz: Difu) die Auswirkungen von Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung auf den Einzelhandel untersucht. Als solche gelten langfristige Eingriffe in die städtische Verkehrsgestaltung – beispielsweise, um den motorisierten Verkehr in hochfrequentierten Bereichen zu reduzieren. Dabei soll sich die urbane Umgestaltung in positiver Weise auf die Verkehrssicherheit, Lebens- und Aufenthaltsqualität sowie Umweltbelastung auswirken.
Diese Umgestaltung geht unweigerlich mit baulichen Veränderungen des Stadtbilds einher – sei es durch Fahrbahnverengungen, um dem Rad- und Fußverkehr mehr Platz einzuräumen, oder durch Einbahnstraßen zur Einschränkung des Verkehrsflusses. So werden Flächen, die einst vom Autoverkehr dominiert wurden, in ein grüneres Stadtbild umgemünzt.
Grüne Flächen = rote Zahlen?
Viele Einzelhändler befürchten jedoch, dass verkehrsarme Einkaufsstraßen zum Geschäftesterben in den Innenstädten beitragen könnten. Die Studie des Difu gibt jedoch Entwarnung; stattdessen trügen Faktoren wie eine verbesserte Aufenthaltsqualität und – daraus resultierend – eine höhere Kundenfrequenz zu einer Stabilisierung oder Steigerung der Umsätze bei. Dort, wo ausreichend Sitzgelegenheiten und Grünflächen das Landschaftsbild prägen, verzeichnet die Studie hohe Passantenzahlen – und hiervon profitieren im Umkehrschluss die ansässigen Einzelhändler. Ein Positivbeispiel lässt sich in der Osterstraße beobachten, einer beliebten Geschäftsmeile im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel.
Betonwüste wird zur Stadtoase
Einst für regen Autoverkehr und viele Staus sowie Unfallstellen berüchtigt, verbesserte sich die Aufenthaltsqualität in der Osterstraße substanziell. Die urbane Umgestaltung führte nicht nur zu einem drastischen Rückgang des Kfz-Verkehrs, sondern kurbelte auch den umweltschonenden Rad- und Fußverkehr an. Diese Verkehrsverlagerung wurde im Zuge einer Umfrage positiv bewertet: 46 Prozent der Befragten sprachen von einem „viel besseren“, 13 Prozent von einem „etwas besseren“ Fußverkehr. Laut Umfrage passieren knapp drei Viertel der Passanten die Einkaufsstraße zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Weitere einschlägige Fallbeispiele aus in- und ausländischen Metropolen wie Köln und Barcelona fördern ähnliche Entwicklungen zutage. Kurzum: Durch die urbanen Umgestaltung verändert sich die Passantenfrequenz und Aufenthaltsdauer potenzieller Kunden – aber nicht ins Negative.
Weniger ist mehr
Die Studienleiterin Michaela Christ zieht jedenfalls ein positives Fazit: „Die Analyse der empirischen Studien aus dem In- und Ausland zeigt, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und einer wirtschaftlichen Schlechterstellung des Einzelhandels gibt.“
Ferner würde die urbane Umstrukturierung auch die Belange der potenziellen Kundschaft priorisieren: „Ein attraktiver öffentlicher Raum zieht Menschen an, lädt zum Bummeln und Verweilen ein und kommt damit auch dem Einzelhandel zugute.“ Für die Umsatzentwicklung, so Christ, ist nämlich vor allem die Kundenfrequenz relevant: Obwohl Radfahrer und Fußgänger durchschnittlich weniger einkaufsfreudig sind als ihre autofahrenden Pendants, suchen sie den Einzelhandel häufiger auf – und diese Entwicklung führt langfristig zu höheren Umsätzen in den anliegenden Geschäften.